Tragfähige Entscheidungen im Team treffen

Wie kommen Sie momentan in Ihrem Team zu Entscheidungen? Treffen Sie sie per Mehrheitsentscheid oder liegt es bei der Leitung, Beschlüsse vorzunehmen und sie dem Team mitzuteilen? Es gibt auch noch eine andere Möglichkeit: soziokratisch begleitete Entscheidungsprozesse. Sie sind äußerst effizient und ihre Wirkung fand ich so überzeugend, dass ich mich vor einigen Jahren darauf spezialisiert habe, sie Organisationen und Teams in Trainings und Moderationen näherzubringen.

In soziokratisch ausgerichteten Organisationen werden wichtige Entscheidungen mit Hilfe einer sogenannten Konsent-Moderation getroffen, eine etwas sperrige Bezeichnung für einen sehr faszinierenden Prozess. Eine  Entscheidung gilt erst dann, wenn kein begründeter und schwerwiegender Einwand mehr geäußert wird. Die Moderation berücksichtigt die Sichtweisen, Kenntnisse und Lösungskonzepte aller Teammitglieder und sorgt dafür, dass Entscheidungen gut durchdacht und kongruent werden.  

Was bedeuten Einwände für den Entscheidungsprozess?

Während der Entscheidungsfindung kommen alle Einwände in Betracht, mit denen die Teammitglieder ihre Befürchtung äußern, der Beschluss könne in irgendeiner Form die Zielerreichung des Teams oder der Organisation gefährden. Die Prozessteilnehmer versuchen dann, die Einwände zu verstehen und den Beschlussvorschlag so zu modifizieren, dass sie zurückgezogen werden können. Mit der Zeit entwickelt sich  aus dieser Art der Entscheidungsfindung eine Organisationskultur, die einen Einwand als wertvolle Information für die Zielerreichung betrachtet und weniger als störende Bemerkung.

Wie kommen Beschlüsse zustande?

Soziokratie setzt Konsent-Moderation ein, um Reflektion anzuregen und weitsichtige Entscheidungen herbeizuführen. Die entsprechend geschulten Moderator/innen strukturieren die Entscheidungsfindung in mehreren Etappen:

1) Themenklärung (“Bildformung” genannt) stellt sicher, dass alle Teilnehmenden verstanden haben, worüber entschieden werden soll und jeder die Informationen bekommt, die zur Meinungsbildung
benötigt wird.

2) Meinungsbildung, meist in zwei bis drei Meinungsrunden:

Die Prozessteilnehmer äußern nacheinander, was ihnen an der anstehenden Entscheidung wichtig ist, zB was verbessert werden soll, wie ein Ergebnis nachhaltiger werden soll, etc: Sie schlagen dann auch vor, was der Beschluss konkret beinhalten soll.

Während der Fokus in der ersten Runde noch auf den individuellen Sichtweisen und Erfahrungen liegt, werden die Teammitglieder in der zweiten Runde dazu eingeladen, sich von den Ideen der anderen Teilnehmenden inspirieren zu lassen und Lösungsvorschläge zu machen, mit denen alle im Team einver-standen sein könnten. Die Moderation formt aus diesen Beiträgen einen Beschlussvorschlag, den sie “zum Konsent stellt”.

3) In der Konsent-Runde sollen Einwände zu Gehör gebracht werden.
Wie oben erwähnt, sind Einwände nicht Ausdruck persönlicher Präferenzen, sondern genau definiert als  begründete Bedenken, der Beschluss könne die Zielerreichung eines Teams oder einer Organisation gefährden.

Danach beginnt der Dialog mit der Person, die einen Einwand geäußert hat. Zum Beispiel mit folgenden Fragen:

▪ Inwiefern würde der Beschluss die Zielerreichung gefährden?

▪ Wie könnte der Beschluss modifiziert werden, dass das Risiko das Ziel zu verfehlen nicht mehr besteht?

▪ Mit welchen Messkriterien ließe sich zeitnah überprüfen, ob der Beschluss unerwünschte Wirkungen erzeugt?

In den allermeisten Fällen verbessern die Einwände der Teammitglieder einen Beschlussvorschlag. Es ist der Ausnahmefall, dass Entscheidungen vertagt oder an ein übergeordnetes Gremium delegiert werden müssen. Dringliche Beschlüsse kommen selbst mit Einwänden und Diskussion zügig zustande.

Wie kommt diese Art der Entscheidungsfindung an?

Die Konsent-Moderation ermöglicht eine konstruktive, lösungsfokussierte Kommunikationskultur mit Tiefe. Die Beteiligten hören sich gegenseitig aufmerksamer zu, selbst introvertierte Teammitglieder bringen ihre Meinung ein. Es kommt weder zu Ping-Pong-Diskussionen noch zu langatmigen Monologen oder Geschichten aus der Vergangenheit.

Da alle Teammitglieder gleichwertig in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden und es keine Abstimmung mit Siegern und Verlierern gibt, haben soziokratisch getroffene Entscheidungen die besten Chancen, von allen mitgetragen zu werden. Zusätzlich unterliegt jede Entscheidung einem Monitoring-Prozess, um ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Danach wird die Entscheidung entweder beibehalten oder bei unerwünschten Wirkungen geändert. Jede Entscheidung muss in der Praxis stand halten und kann weitere wertvolle Entwicklungsimpulse geben.

Kathrin Schmitz M.A. ist internationale Beraterin und zertifizierte Trainerin für Soziokratie und Gewaltfreie Kommunikation. Sie moderiert strategische Planungs- und Entscheidungsprozesse in Gruppen, Teams und Gemeinschaften. Mit CoachingExpats seit 2019.

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