Wie Einsamkeit zur Ressource wird
Vielleicht kennen dies einige:
Nach stressiger Vorbereitung und Anreise wirst du in einem dir unbekannten Land während der Einstiegsveranstaltung wohlwollend empfangen. Die Eindrücke der ersten Begegnungen beschäftigen dich noch auf dem Weg zurück zum Hotel. Obwohl du eigentlich keine Lust hast, gehst du zur Abendeinladung des Geldgebers, die sich länger hinzieht als geplant. Du kommst sehr müde in dein Hotel, der Strom fällt plötzlich aus. Du sitzt im Dunkeln und dir ist kalt. Und auf einmal steigt in dir ein bohrendes und tiefes Einsamkeitsgefühl hoch, vordergründig wie gerade angeschmissen und ganz plötzlich.
Wie gehst Du mit diesem Phänomen um? Ich kenne das Gefühl von Klient*innen, aber auch aus eigener Erfahrung. Über die Jahre habe ich in der Einsamkeit eine Ressource gefunden, die mir spannende Einsichten und Entwicklungen ermöglicht hat. Meistens gibt es eine Vorgeschichte zu dem plötzlichen Gefühl der Einsamkeit. Oft wurden eigene Grenzen und Bedürfnisse nicht ernst genommen oder ignoriert.
Einsamkeit, lädt ein …
Rückblickend hat die Erfahrung der Einsamkeit mich eingeladen,
- mir Zeit zu nehmen für mich selbst und die eigene Psychohygiene: Das schafft Klarheit über eigene Bedürfnisse nach Rückzug und Verbindung
- mir Ruhephasen zu gönnen: Jeder Auslandseinsatz bedingt viel Engagement, Geduld, Flexibilität und Toleranz gegenüber (kulturell bedingten) Missverständnissen und Widersprüchen. Essentiell ist bei jedem Einsatz, wie ich genügend Freiräume für Entspannung und die richtige Balance zwischen Anregung und Entspannung schaffe
- mir Klarheit zu verschaffen, was und wer mir wirklich in jedem Moment guttut: Habe ich wirklich Lust und die nötige Energie auf das vermeintlich wichtige Event nach einem langen Workshop-Tag?
- Mich immer wieder auf die eigenen Inhalte und Ressourcen zu konzentrieren und mich zu fragen, was ich gerade brauche
Kontinuität einrichten
- Bewusst Netzwerke pflegen: Regelmäßig in Kontakt mit Freunden und Familienmitgliedern bleiben, auch gerade vor oder während des Auslandseinsatzes.
- Sich realistische Ziele setzen, die den eigenen Bedürfnissen und dem Auslandeinsatz entsprechen: bewusst z.B. die Abende oder Tage vor und während eines Einsatzes so planen, dass Entspannung Platz hat. Das kann je nach Kontext bedeuten: Musik zu hören, ein Buch zu lesen, schwimmen zu gehen, Stille zu pflegen oder einen geselligen Abend zu verbringen.
- Vorbereitung auf Stromausfälle: Sicherstellen, dass das Telefon oder andere mobile Geräte geladen sind und vor Ort Kerzen organisieren. Damit kann ich einige meiner Entspannungsgewohnheiten aufrecht erhalten, wie z.B. zu lesen, zu schreiben oder zu malen, zu meditieren, Yoga zu machen, meine Lieblingsserie auf Netflix zu schauen, zu telefonieren oder zu kochen.
Was mir am meisten geholfen hat
Hätte ich vor vielen Einsätzen die Herausforderungen im Detail gekannt, hätte ich vielleicht gezögert, einzelne Aufträge überhaupt anzunehmen. Gelassenheit und Demut zu entwickeln – das erzwingt fast jeder Einsatz von mir. Was ich am hilfreichsten fand war, innerlich Abstand nehmen zu können, sich gelegentlich nicht zu ernst zu nehmen, über sich zu lachen und mit grosser Offenheit den sich ergebenden Herausforderungen zu begegnen. Kraft und Energie kommt auch aus dem Vertrauen in die Kolleg*innen vor Ort und dem Prozess, der sich individuell entwickelt.
Einsamkeit ist Anstoß zur Entwicklung und als Ressource überaus nützlich – nicht nur im Auslandseinsatz.
Cordula
Cordula coacht Fach- und Führungskräfte im In- und Ausland und hat sich als internationale Mediatorin, Trainerin und Autorin einen Namen gemacht. Sie arbeitet seit 2019 mit Coaching Expats zusammen.
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